Zur Abendvorstellung des Theaters „mini-art“ am 24. Januar 2020 begrüßte Bürgermeister Michael Pesch in der Achim-Besgen-Halle die Anwesenden, unter ihnen etliche Schüler der Janusz-Korczak-Realschule. „Das Schutzengelhaus“, erklärte er, sei die erste Veranstaltung zur 50-Jahr-Feier der Gemeinde. Er betonte, Schwalmtal stehe zur Geschichte der Kinderfachabteilung Waldniel in Hostert.
Allzu viele Menschen waren nicht gekommen, das war sehr schade.
Denn die beiden Schauspieler, Crischa Ohler und Sjef van der Linden, versuchten mit ihrem Spiel über die grausame Geschichte der Vernichtung „lebensunwerten“ Lebens zu informieren und Emotionen, wie Beklemmung, Rührung, Empörung und Trauer, zu wecken. Das gelang ihnen durch eingeblendete Textzeilen wie den „Ermächtigungserlass“, durch Wochenschausequenzen der 30-Jahre sowie durch schnell wechselnde fiktive Spielszenen, die, das ist hier besonders hervorzuheben, ganz nahe an der historischen Wirklichkeit waren. „Man musste höllisch aufpassen, jedes Wort war wichtig“, meinte Karin nach der Aufführung und bewunderte die Wandlungsfähigkeit beider Darsteller.
Gut war, dass Crischa Ohler die Zuschauer nach der Vorstellung nicht nach Hause entließ, sondern eine Zeit zum Austausch anbot. Sie wurde von vielen Erwachsenen und Schülern genutzt, die sachliche Fragen wie zur Bettenzahl von Waldniel-Hostert stellten oder auch ihrer Empörung über den „Massenmörder“ Hermann Wesse zum Ausdruck brachten. Eine Zuschauerin kritisierte, dass jetzt auf dem Gelände in Hostert ein Wellness-Park entstehen solle. Da könne sich doch niemand entspannen. Ganz wichtig war, dass Crischa Ohler hervorhob, dass die Euthanasie keine Erfindung der Nazis war, sondern eine Vorgeschichte hatte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichte und nicht nur Deutschland betraf. Zugleich spannte sie den Bogen bis ins Heute, als sie darauf hinwies, dass von zehn diagnostizierten Down-Syndrom-Schwangerschaften neun durch Abtreibung beendet werden.
Für viele Zuschauer endete die Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht beim Verlassen des Saales. Sie ging weiter zunächst auf dem Parkplatz, wo es zu manch intensivem Austausch über die eigenen Erfahrungen gab. „Ich hatte einfach das Bedürfnis darüber zu sprechen“, meinte Marianne.
Die Rheinische Post (Birgit Sroka) berichtete am 25. Januar 2020 über die Schülervorstellung am Vormittag:
„Die Schauspieler Crischa Ohler und Sjef van der Linden schlüpfen in unterschiedliche Rollen – und das überzeugend. Er in kurzer Hose, trägt ein Holzhaus fest im Arm. Er bat Angst: „Ja, hier war es. Ich rieche es. Hier haben sie mich Idiot genannt. Ich erinnere mich“, sagt Sief van der Linden. „Das Schutzengelhaus ist nun verlassen. Dann ist alles kaputt gegangen und alles ist vergessen“, beklagt Crischa Ohler. Sjef van der Linden symbolisiert all die Kinder, die dort in „Kotze, Pisse und Kacke“ leben mussten. Das Licht geht aus, Bilder von den Gemäuern der Kinderfachabteilung in Waldniel-Hostert werden gezeigt. Erklärungen werden eingeblendet. Dann harte, klare Worte der Schauspieler. „Da ist ein Junge. Ihm fällt das Gehen schwer, er will nicht. Sie gehen durch eine große Flügeltür, er will nicht weiter.“ Sie übernimmt die Worte, die sich wohl eine Mutter gedacht hatte, die dort ihr Kind auf Anraten abgegeben hat. „Er bekommt eine Spritze zur Beruhigung“, heißt es. „Hier werden sie dir helfen, haben sie gesagt.“ Man hört ihn sprechen: „Ich hab so Weh in meinem Kopf.“ Das Kind wird nach einem Intelligenztest als „bildungsunfähig“ erklärt und der Therapie zugeführt. Das bedeutet nichts anderes, als dass man es langsam vergiftet und einschläfert. Offiziell starb es an einer Lungenentzündung. „Bei geistig tiefstehenden Kindern kann es immer wieder zu Rückfällen kommen. Eine Besserung kann nie mehr erwartet werden“, wird nach einer angeblichen Erkrankung den Eltern erklärt.“ Zum Beitrag der RP vom 25. Januar 2020
Das Gemeindejournal „ose mont“ berichtete in der Februarausgabe.